„Udo” kam mit einer Ente

Ralf Neitzel schenkte seiner Sonja zum 20. Hochzeitstag ihr Traumauto


Rheda-Wiedenbrück. Udo in 'ner Ente? Die Kultfigur des Deutschrock inkognito in Wiedenbrück? Fährt der Lindi da im Kultauto der 60-er Jahre, dem legendären „Deux Chevaux” aus dem Hause Citroen etwa wirklich vor dem Bistro „Cup&Cino” vor? Steigt lässig aus und geht rein? Kaum zu glauben. Jedenfalls nicht für die baff staunenden Gäste, nicht für das überraschte Servicepersonal. Und schon gar nicht für die total perplexe Sonja Neitzel, die mit ihrem Gatten gerade auf den 20. Hochzeitstag einen Cocktail hebt.

Nur einer bleibt cool, zumindest nach außen hin: Ralf Neitzel weiß, was da jetzt kommt. Er hatte die Aktion generalstabsmäßig geplant – als Überraschung für seine Sonja.

Ein spitzer Aufschrei, gefolgt von dem Ausruf „Das ist ja mein Auto” lässt Gäste und Personal aufschrecken. In der schwarz-roten „Charleston-Ente” die da im Schatten der Aegidius-Kirche einparkt, hat Sonja sofort ihr heiß geliebtes Auto aus Jugendtagen wiedererkannt. „Mein Auto!” Wie wahr ihr Ausruf wirklich ist, erfährt sie wenige Minuten später, als Ralf ihr die Autoschlüssel nebst original Bedienungsanleitung in die Hand drückt: ?„Das ist jetzt dein Auto”. Sonja weiß nicht, ob sie lachen oder weinen soll vor lauter Glück. Und macht einfach beides zugleich.

Den Zündschlüssel für „ihre” Ente in der Hand. Das will erst einmal verkraftet sein. Dabei hat sie sich doch gerade erst davon erholt, ihrem Idol Udo gegenüber zu stehen. Dass der Mann, der sie da mit einem gekonnt schnoddrigen „Komm, Baby, steig ein und lass uns nach Las Vegas fahren, die Sonne putzen” zu einer heißen Runde mit der Ente einlädt, nicht der einzig echte, wahre Lindenberg ist, hat sie sofort erkannt. Schließlich verehrt die 42-Jährige den Star schon seit 30 Jahren: Im zarten Alter von 12 besuchte Sonja ihr erstes Udo-Konzert. Und sie kennt alle seine Lieder in- und auswendig. Weiß auch, dass die soeben gehörte Aufforderung aus dem legendären Stück „Cowboy Rocker” stammt.

Inzwischen sind einige Passanten auf die Szene aufmerksam geworden und verfolgen belustigt den Fortgang des Geschehens. Sonja schwebt auf Wolke Sieben, Ralf kommt derweil wieder zu sich. Er hatte versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Doch seine Nervosität war förmlich zum Greifen gewesen. Was mancher im Lokal bemerkte. Nur Sonja zum Glück nicht. Auf heißen Kohlen saß er da, als die Turmuhr Sieben schlug, und die Ente nicht wie geplant vorfuhr. Fünf nach Sieben, Zehn nach Sieben, die Sekunden wurden zur Ewigkeit. Hatte Udo etwa die Ente im letzten Augenblick vor die Wand gesetzt? Weil er mit der ungewohnten „Revolver-Schaltung” am Lenkrad nicht klar kam: 1. Gang, Pistolengriff nach links drücken und zum Fahrersitz ziehen…?

Um 19:12 Uhr die Erlösung für den 42-Jährigen. Die Ente fährt heile vor, blitzeblank gewienert und mit Udo – der jedoch auf dem Beifahrersitz. Denn auf dem Fahrersitz hockt Uwe Glöwing, der sich diesen Augenblick nicht entgehen lassen will. Schließlich hat er die letzten drei Wochen in der Autowerkstatt von Michael Strothmann an der Schanze damit zugebracht, das alte Schätzchen auf Vordermann zu bringen. Vier Monate hatte er die einschlägigen Seiten im Internet durchforstet, auf der Suche nach der gewünschten Charlestol-Ente – in Rot-Schwarz. „Die Ausführung in Grau-Schwarz wäre leichter zu haben gewesen”, erzählt er. Doch Sonjas Auto war nun mal die Rot-Version, und die war gewünscht.

Im tiefsten südlichen Schwarzwald wurde Uwe Glöwing schließlich fündig. Auf den allerletzten Drücker. Zu einem Zeitpunkt, als er die ganze Sache eigentlich schon wegen Erfolglosigkeit abblasen wollte. In 17 Stunden Non-Stop-Hin-und-Rückfahrt wurde das Schätzchen nach Wiedenbrück gebracht und originalgetreu aufgepeppt.

Ihre Scheinwerfer waren damals aber verchromt, kommt die kleinlaute Anmerkung von Sonja, die sich aber gern belehren lässt, dass diese in der ersten Auflage noch rot lackiert waren. Und auch beim Kennzeichen erlaubte sich ihr Ralf eine leichte Abweichung vom Original: Sonjas Ente war in Paderborn (PB) zugelassen. Doch hinter dem aktuellen „GT” findet sich immerhin die frühere Buchstaben-Zahlen-Kombi EY 157.

Während Sonja in Erinnerungen an ihre Ente schwelgt, verrät Ralf dem täuschen echten falschen Udo, wie er auf die Idee zu dieser Aktion kam. Seit seine Sonja im Zuge der Eheschließung und der Familienplanung (das Paar hat drei Kinder, 14, 6 und 2) ihre Ente zugunsten eines „Vernunft-Autos” in Gestalt eines Ford Fiesta aufgegeben hatte, hatte sie ihrer Ente nachgetrauert. Besonders heftig wurde dieser Schmerz, wenn im Straßenverkehr mal wieder unvermittelt das Kultauto auftauchte. Erst recht in der Charleston-Variante. In dem Maße, wie die Ente ausstarb, wurden aber auch solch schmerzliche Momente weniger. Doch unvergessen blieb die geliebte Ente dennoch.

Wo war noch mal der 1. Gang? Zwei Jahrzehnte ohne die Revolverschaltung, da muss Sonja erst mal wieder überlegen, das sie die ersten Meter probe fährt. Was nicht leicht fällt, schließlich wird sie leidlich abgelenkt. Ralf hat eine knackige Musikanlage einbauen lassen, natürlich randvoll mit Lindenberg-Songs bestückt. Mitsingen und schalten, es dauert nur Sekunden, bis Sonja beide Dinge synchron drauf hat.

Derweil freut sich der falsche Udo ein Bein ab, dass die Überraschung dermaßen gelungen ist. Auftritte als Lindenberg-„Vertreter” hat der Mann aus Wuppertal ja reichlich, aber als ein Geschenk zum 20. Hochzeitstag ist er noch nie gebucht worden.

Einträchtig sitzen Sonja, Ralf und „Udo” schließlich im Bistro über einem Eierlikör-Cocktail und fachsimpeln in wildem Durcheinander über Udos Musik und Sonjas Enten-Liebe. Bis Ralf zum Aufbruch drängt. Bevor es heim nach Herzebrock zum Nachwuchs geht, sieht sein Generalstabs-Plan noch eine erste Probefahrt vor – „zu unserem geliebten Baggersee”. Warum das? Keine Antwort: Ab hier trägt sein Master-Plan den Stempel „Streng geheim”.

Als Udo-Double unterwegs

Seit über 27 Jahren macht er „den Udo”: Als Lindenberg-Double hat es Marcus Krey aus Wuppertal zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. In einer großen TV-Show der Doubles schaffte er es immerhin auf Platz 4 und setzte sich gegen viele „falsche Udos” durch. Die Illusion ist nahezu perfekt: Lindis Hut (mit Stern vorn am Hutband), Lindis Sonnenbrille, Lindis Klamotten: Stilecht, weil mit Lindis Einverständnis aus den gleichen Quellen gekauft. Dazu der schnodderige Tonfall, der gekonnt schief gezogene Mund, die gleichen Gesten wie der Echte. Doch zur perfekten Illusion fehlt ein entscheidendes Detail: Der falsche Lindi, der da vor einem steht, ist merklich ein gerüttelt Maß jünger als der Echte. Nähere Infos zum Lindenberg Double unter www.udo-lindenberg-show.de.

Quelle: Neue Westfälische, Ausgabe 212 vom 11/12. September 2010

Bildunterschrift 1

Hatten viel Spaß: Sonja Neitzel, Ehemann Ralf und Udo Lindenberg-Double Marcus Krey, der das Hochzeitsgeschenk, eine restaurierte „Charleston Ente”, überbrachte.

Bildunterschrift 2

Das ist sie: Sonja Neitzel und „Udo” mit der originalen Betriebsanleitung des Citroen 2CV4.

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Leben als Double